Schon als ich das Theatergebäude betrete, höre ich dumpfes Wummern der Bässe und schrille Beats durch die Wände. Ein letzter Soundcheck. Die Luft ist geladen. Menschen wippen im Takt – die perfekte Atmosphäre für das, was gleich kommen wird…
Man möchte es kaum glauben. Am Pfefferberg in Berlin, nahe Senefelder Platz, startete dieser Tage ein Raumschiff. Ein fiktives natürlich. Genauer im dortigen kleinen, aber feinen innovativen “Pfefferberg Theater”. Noch genauer: Die Tanz- und Musikshow der besonderen Art “Voyager Y” hatte am 26. September Premiere, erfunden und inszeniert von dem aus Rostock stammenden, doch schon lange in Berlin lebenden erfolgreichen Schauspieler, Tänzer und Choreografen Lukas Steltner (37). Für das zum kuturellen Hotspot in Prenzlauer Berg gewordene „Pfefferberg Theater“ auf dem Areal einer ehemaligen Brauerei ordnet sich die quasi im All spielende Steltner-Produktion in das Programmgenre „Neuer Zirkus“ ein.
Vor einem freilich nicht gerade spacig, ergo eher spartanisch wirkenden schwarzen Hintergrund begeben sich sechs Künstler – Breaker, Tänzer, Pole-Akrobaten und ein Musiker – gleichsam in einer Raumkapsel auf eine lange Reise ins Unbekannte. Diese wie in der richtigen Raumfahrt international besetzte Crew wird von Mitwirkenden aus Deutschland, Holland/Frankreich, Teneriffa, Venezuela und der Ukraine gebildet. So kam z. B. die junge ukrainische Tänzerin Nathaliia Zhdan nach dem russischen Angriff auf ihr Land hierher. Sie wurde in der Berliner Tanzszene gut aufgenommen. Durch die gemeinsame Kunst und Leidenschaft konnte man sich schnell kennenlernen und leicht zu einem Miteinander kommen. Der facettenreiche Soundtrack der Show wurde unter Einbeziehung von zwei Daft-Punk-Songs von Miguel Toro komponiert, der auch live am Schlagzeug und am Moog-Synthesizer performt. Die bewußt nicht der aktuellen Mode entlehnten, eher im Vintage-Stil gehaltenen Kostüme stammen von der Designerin Stephane Moun. Für die Choreografie zeichnen Joy Alpuerto Ritter und Lukas Steltner verantwortlich. Und das Lichtdesign ist von Fabian Bleisch.
Als Regisseur und selbst Mitwirkender beschreibt Lukas Steltner exklusiv für unser digitales Journal „Reise, Kultur & Lifestyle“ seine Intention für das neue Projekt so: „Bei dieser Reise ins Unbekannte glaubt jeder zu wissen, wohin es geht. Aber es stellt sich heraus, dass jeder irgendwie andere Vorstellungen hat. Wir handeln nun im Verlaufe des Stückes aus, wie wir miteinander auskommen wollen.
Ein weißes Sonnensegel-Dreieck begrenzt den Raum, an den wir gebunden sind, und symbolisiert zugleich die Fortbewegung unseres Raum-Schiffes. Wir müssen unsere eigene kleine Gesellschaft hier aushandeln. Es gibt einen Moment in dem Stück, wo es schief geht. Wir nennen diese Szene ‚Chaos‘. Das Schlimmste, das passieren könnte, wäre die totale Anarchie jeder gegen jeden. Wir kommen zu dem Schluss, dass dies nicht die richtige Gangart wäre.und wir ein Miteinander finden wollen, was uns ja schließlich auch gelingt.“
Auf meine Frage: „Ist das vielleicht ein wenig als Sinnbild für den Zustand der Menschheit und der Welt zu verstehen?“, sagt Steltner: „Leider ist es ja nun einmal so, dass sich unsere Welt gerade in einem desolaten Zustand befindet. Ich habe früher auch mal Geschichte studiert und dabei gelernt, dass die Menschen leider immer Momente finden, wo sie auf aggressive Mittel zurückgreifen, Kriege führen und sich nicht auf Kommunikation verlassen, um Konflikte zu lösen. Ich befürchte, dass dies ein Grundzug des Menschen ist, aber ich glaube auch gleichzeitig an das Gute des Menschen. Wenn man sich aufeinander einlässt, wenn man einander zuhört, wenn man miteinander kommuniziert, kann man auch bei verschiedenen Hintergründen und Vorstellungen miteinander auskommen.“
Damit wird wohl deutlich: „Voyager Y“ ist nicht nur eine buchstäblich leichtfüßige, furiose Unterhaltungsshow , sondern auch zum Nachdenken anregendes Entertainment. Unterhaltung mit Haltung also. Chapeau!
Das etwa 70 Minuten – ohne Pause – dauernde Stück hat eine fließende Handlung. Alles ist dynamisch im Fluss, gewissermaßen getreu der altgriechischen Formel „Panta rhei“.
Die vom Publikum gefeierte Premiere war der Startschuss für diesen mitreißenden, genreübergreifenden Mix aus Breaking, zeitgenössischem Tanz, Pole-Akrobatik und Funk-Beat-Musik in galaktischen Sphären. „Wie es weitergeht, steht noch in den Sternen. Wir arbeiten weiter an dem Stück, wollen es bekannt machen und hoffen, dass es ein breites Publikum findet“ erklärt optimistisch Lukas Steltner.
Als ich das Theater verlasse, höre ich noch immer die Beats in meinem Kopf. Die Bilder der wirbelnden Körper, der strahlenden Gesichter und der beeindruckenden Choreografien werden mich noch eine Weile begleiten…
Text und Fotos (7): Manfred Weghenkel
Weitere Informationen:
www.lukassteltner.com
www. pfefferberg-theater.de
Schreibe einen Kommentar