Von Manfred Weghenkel
Durch antike Wälder, mittelalterliche Burgen und Einkaufspassagen der Gründerzeit wandeln; die Goldenen Zwanziger genießen und noch einmal über den Mauerfall, die Loveparade und das Sommermärchen des Fußballs jubeln sowie mit der S-Bahn zurück in die Gegenwart fahren – das alles und natürlich noch viel mehr kann man beim Besuch des Deutschlandmuseums in Berlin erleben. Im Juni 2023 am Leipziger Platz 7 eröffnet, bietet es den Besuchern eine, wie es heißt, „faszinierende Zeitreise durch 2000 Jahre deutsche Geschichte“. Rund 200.000 Besucher kamen 2024 hierher.


Und natürlich ist dieses Haus nicht museal im herkömmlichen Sinne eingerichtet und ausgestattet, sondern höchst modern und unterhaltsam. Immersiv und interaktiv sind die hervorstechenden Eigenschaften, was so viel bedeutet wie: eintauchen in die Historie unseres Landes und sich aktiv einbringen in viele der Präsentationen und Darstellungen. Ergo zum Mitspieler werden während des empfehlenswerten etwa ein- bis anderthalbstündigen Rundganges. Das gefällt offensichtlich Groß und Klein, Alt und Jung, Familien mit Kindern, Schulklassen und geschichtsinteressierte Erwachsene – ob individuell oder in Gruppen – sind demzufolge die Zielgruppen dieser noch jungen, verkehrsgünstig gelegenen Institution im Herzen der Hauptstadt.

Das Deutschlandmuseum mit einer Fläche von 1.400 qm ist in 12 Bereiche unterteilt, die jeweils eine prägende Epoche der deutschen Geschichte darstellen:
1. Die Antike: Der Varusschlacht und den legendären germanischen Stämmen nachspüren.



2. Das Frühmittelalter: Karl dem Großen und der Gründung des Heiligen Römischen Reichs begegnen.
3. Das Hochmittelalter: Ritterturniere, Minnesang und das Lehnswesen nachvollziehbar erleben.

4. Die Reformation: Die Erfindung des Buchdrucks durch Johannes Gutenberg, der Deutsche Bauernkrieg (1524 – 1526) und die Spaltung der Kirche durch Martin Luther bis hin zur Bibelübersetzung und seinen Verdiensten um die Schaffung der neuhochdeutschen Sprache erforschen.
5. Die Aufklärung: Die großen Denker wie Immanuel Kant, Johann Wolfgang Goethe und Friedrich Schiller sowie den Aufstieg Preußens bestaunen.

6. Der Deutsche Bund: In die Zeit des Biedermeier, des Wartburgfestes, der Revolution von 1848 und der Einigungskriege eintauchen.
7. Das Kaiserreich: In die Zeit von Bismarck, Kaiser Wilhelm und des 1. Weltkrieges reisen.


8. Die Weimarer Republik: Die Glanz- und Schattenseiten der sogenannten Goldenen 20er mit dem Elend der Weltwirtschaftskrise nacherleben.

9. Die Zeit des NS-Regimes: Die dunkelste Epoche Deutschlands mit dem 2. Weltkrieg kennenlernen.
10. Die deutsche Teilung: Den Aufbau des zerstörten Deutschlands in Ost und West und das westdeutsche Wirtschaftswunder erleben.

11. Die Zeit der zwei deutschen Staaten: Zeuge der Mauer werden und die Unterschiede der beiden deutschen Staaten kennenlernen.
12. Das vereinigte Deutschland: Über den Mauerfall, die Loveparade und das 2006er Sommermärchen jubeln.
Als zeitgemäßes immersives Erlebnis-Museum wartet es mit zahlreichen gestalterischen Highlights auf. So gibt es immersive Räume mit detailreichen historischen Inszenierungen, die lebensgroß in Szene gesetzt sind. Sie nehmen die Besucher mit auf eine fesselnde Reise durch bedeutende Epochen der deutschen Geschichte. Das Museum zeigt eine Vielzahl von originalen Exponaten aus verschiedenen Epochen der deutschen Geschichte. Dazu gehören unter anderem ein Richtschwert aus dem 12. Jahrhundert, eine Violine der berühmten Geigenbauerfamilie Ficker als Beleg für die hohe Kunst des deutschen Geigenbaus im 18. Jahrhundert und eine spezielle Sonnenbrille, die an die Angeklagten bei den Nürnberger Prozessen ausgegeben wurde. Multisensorische Erlebnisse, wie speziell komponierte Gerüche und Geräusche, unterstreichen die einmalige Ausstellungsatmosphäre und machen den Besuch zu einem Erlebnis für alle Sinne.


Sehr beliebt beim Publikum sind auch interaktive Medien und Spiele, die einem historische Momente näher bringen und die Ausstellung besonders zugänglich machen. Dazu gehören Quiz-Stände. Je nach gedrückter Antwort, richtig oder falsch, werden die Sachverhalte mit Bildern bzw. Videos illustriert. Man kann zum Minnesänger werden, an Gutenbergs Presse persönliche Lesezeichen drucken, in den 20ern tanzen oder seine eine eigene Flagge mittels KI gestalten. Von den eindrucksvollen Installationen seien hier ein realistisch nachgebauter Schützengraben aus dem 1. Weltkrieg und die detailgetreue Nachbildung einer Burg aus dem Hochmittelalter erwähnt.


Alles in allem präsentiert sich das Berliner Deutschlandmuseum, über bisherige Multimedia-Ausstellungen hinausgehend, als supermodernes 4D-Museum mit den Elementen Sehen, Hören, Fühlen, Riechen. Echt gebaute Szenerien, spektakuläre Projektionen und eindrucksvolle Objekte definieren den Begriff „immersiv“ als Eintauchen, Erleben und Verstehen.

Kein Wunder, dass dieses neuartige Museumsprojekt seit seiner Eröffnung vor gut anderthalb Jahren bisher überwiegend positive Resonanz erfahren hat. Es kommt nicht nur beim Publikum aller Altersgruppen gut an, sondern hat auch bereits mehrere renommierte internationale und nationale Auszeichnungen erhalten, wie den THEA Award in Hollywood und den Titel „Europe’s Leading New Tourist Attraction“ bei den World Travel Awards. Zudem belegte es Platz 7 im Top-100-Ranking der Deutschen Zentrale für Tourismus (DZT) und wurde damit als beliebtestes Museum Deutschlands ausgezeichnet. Ein echtes – nomen est omen – Deutschlandmuseum also! Anmerkung: Gleich nebenan befindet sich das ebenfalls vielbesuchte, hochspannende Deutsche Spionage Museum.
Text und Fotos (18): Manfred Weghenkel
Weitere Informationen inkl. zu Tickets und Öffnungszeiten: www.deutschlandmuseum.de
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