Von Manfred Weghenkel
Ob Borneo oder Bali, Samoa oder Hawaii – die Südsee und Südostasien bieten bekanntlich unzählige Traumreiseziele mit Tropen-Feeling. Man muss aber nicht unbedingt zeitaufwendige und teure Fernreisen dorthin machen. Schon 50 Kilometer südlich von Berlin gibt es ja in märkischer Sand- und Kiefernlandschaft seit gut 20 Jahren das Bade- und Freizeitresort „Tropical Islands“, das ganzjährig und ganz nah erlebnisreiche Tropen-Flair-Aufenthalte anbietet. Na ja, nicht echte, sondern imitierte, inszenierte. Jährlich kommen etwa 1, 2 Millionen Gäste aus nah und fern hierher. Eine echte Erfolgsstory, auf deren Spur ich mich kürzlich mal wieder journalistisch-kritisch begeben habe.

Die Reise beginnt nicht im Flugzeug oder mit dem Auto auf der A113, sondern umweltfreundlich mit dem Regionalexpress der Bahn. Eine halbe Stunde südlich von Berlin erhebt sich plötzlich ein Stahlkoloss über die flache Landschaft – wie ein gestrandetes Raumschiff oder UFO. Ein regelmäßig verkehrender Shuttelbus bringt uns Gäste von der Bahnstation „Brand Tropical Islands“ auf das riesige Gelände des Tropenparks.

Willkommen in der größten freitragenden Halle der Welt, wo einst Cargo-Luftschiffe gebaut werden sollten, was jedoch 2002 in der Insolvenz endete. Ein malayisches Konsortium um den Visionär Colin Au hatte die kühne Idee, in karger märkischer Landschaft zwischen Berlin und dem Spreewald eine Art tropische Traumwelt mit Südsee-Flair für sonnenhungrige Mitteleuropäer zu errichten. Eröffnet wurde das Resort in eben dieser spektakulären Traglufthalle, die 360 Meter lang, 210 Meter breit und 107 Meter hoch ist, im Dezember 2004.

Seit der Übernahme durch die spanische Parques Reunidos Gruppe im Jahr 2019 wurden erhebliche Investitionen getätigt, um das Angebot zu erweitern und zu modernisieren, darunter neue Attraktionen und Unterkünfte.

Innen, wo es bei 40 – 60 Prozent Luftfeuchtigkeit konstant 26 Grad C warm ist, trifft Hightech auf Fernweh. Palmen wurden eingeflogen und eingetopft, der Regenwald wächst auf Kommando, und die Sonne scheint im 12-Stunden-Takt aus LED-Panels. Alles ist durchgestylt, durchgeplant, durchgewärmt. Badehose statt Boarding Pass. Das Publikum ist so vielfältig wie das Buffetangebot. Familien mit Kindern, Rentnergruppen, TikTok-Pärchen und Geburtstagscliquen gleiten gleichermaßen durchs Erlebnis.

Viele kommen zum ersten Mal, manche schwärmen von ihrem „Bali-Gefühl“, obwohl sie nie dort waren. Was sie verbindet: Der Wunsch nach einer Auszeit – ohne Jetlag, Impfberatung oder fremde Währungen. Tropical Islands ist das perfekte Angebot für Menschen, die Exotik erleben möchten, aber lieber mit EC-Karte zahlen und abends wieder zu Hause sein wollen. Aber es gibt auch Übernachtungsmöglichkeiten, so in schicken Zelten in der Halle, in Ferienhäusern draußen oder in dem 2024 eröffneten Hotelanbau mit Hawaii-Flair (der freilich ist zur Zeit erst einmal wieder geschlossen, wohl bis Baumängel geklärt sind).

Die Südsee-Illusion funktioniert erstaunlich gut. Unter dem scheinbar endlosen Hallenhimmel werden Kinderträume wahr, Stress wird ausgeblendet, und auch Erwachsene geben sich dem Schwebezustand zwischen Freizeitbad und Fantasiewelt hin. Und doch bleibt ein Beigeschmack. Denn alles hier ist gemacht: die Palmen, die Wellen, selbst der Vogelgesang ist eingespielt. Wer sich aufmerksam umschaut, merkt schnell, dass dieses Paradies einen Maschinenraum hat – und einen CO₂-Fußabdruck. Frage: Wie grün kann eigentlich eine Tropenhalle sein?

Tropical Islands setzt auf Biomasse-Heizung, Wasserrecycling und Ökostrom. Doch bei einem ganzjährig beheizten Raum mit 66.000 Quadratmetern Fläche, 365 Tagen Betrieb und Millionen Besuchern wird Nachhaltigkeit zur Gratwanderung. Natürlich ist es besser als ein Billigflug nach Thailand. Aber es bleibt der Versuch, echten Urlaub durch kontrollierte Simulation zu ersetzen – mit allen energetischen Konsequenzen. Die Frage lautet nicht nur: Was erleben wir hier?, sondern auch: Was verbrauchen wir dafür?



Nachdenklich macht das Preisniveau im märkischen Tropenpark. Es wird bei Eintritt, Essen und Trinken, speziellen Leistungen und Übernachtungen von nicht wenigen Besuchern als hoch eingeschätzt, von manchen sogar als überzogen. Womöglich lassen sich die hohen Preise – Details siehe Website des Unternehmens – zum Teil durch den enormen Energieaufwand und die in Deutschland stark gestiegenen Kosten insbesondere für Strom und Gas erklären. Für ein Resort dieser Größe ist das ein massiver Kostentreiber, der sich ganz bestimmt z. B. auf die Eintritts- und Übernachtungspreise auswirkt. Ausweg möglich? Tropical Islands wird sicher nicht umhin können, mit wirksamen Maßnahmen seinen hohen Energieverbrauch zu reduzieren oder nachhaltiger zu gestalten.

Fazit: Wir erleben Kurzurlaub aus der Konserve. Tropical Islands ist ein Ort voller Kontraste. Zwischen Spaßbad und Sehnsuchtsort, Familienausflug und Zukunftsfrage, Komfortzone und künstlicher Welt. Nun ja, es ist ein Spiegel unserer Zeit: Wir wollen Erholung und Erlebnis, aber bitte sicher, berechenbar – und mit WLAN rund um die Uhr. Ein echtes Paradies ist es nicht. Aber vielleicht braucht es das auch gar nicht. Vielleicht genügt uns längst die Illusion – solange sie gut beheizt, gut inszeniert und gut erreichbar ist.
Text und Fotos (12): Manfred Weghenkel
Weitere Informationen: www.tropical-islands.de
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