Von Manfred Weghenkel

Wieder einmal pilgerten Kenner und Liebhaber großartiger Kleinkunst aus der Schweiz zum Prenzlauer Berg. Das dortige kleine, aber feine „Pfefferberg Theater“ an der Schönhauser Allee präsentierte am Donnerstagabend die Berlin-Premiere vom 2025er Programm des renommierten Schweizer Comedy-Duos Ursus & Nadeschkin. PRSPKTVNWCHSL heißt es ­– was mit Vokalen geschrieben – für Perspektivenwechsel steht. Seit nunmehr 38 Jahren bieten die beiden auch international erfolgreichen Künstler Kabarett und Comedy vom Feinsten.

Rasanter Auftakt auf der rot erleuchteten und nebelschwadigen Bühne war ein Rap-Flow, der die knapp 200 Gäste sofort in Stimmung brachte. Er (Urs Wehrli) im blauen Anzug und sie (Nadja Sieger) im gelben Jumpsuit begrüßten das Publikum sehr herzlich und erinnerten daran, bereits wiederholt in der deutschen Metropole gastiert zu haben. Und dann spielten sie gleich einen längeren Sketch: Wie mit einer Alltagssituation umgehen, wenn die Wohnungstür verschlossen und der Schlüssel weg ist? Können da vielleicht James Bond oder Uri Geller (Türöffnen mit Kreditkarte bzw. Löffel) helfen? Spoiler: Die Sache geht auch ohne die Promis gut aus. Schon diese witzige Story gab einen Vorgeschmack auf das gesamte 11. Bühnenprogramm der eidgenössischen Gäste: ein zündendes Gesamtkunstwerk, das sich irgendwo zwischen Sprachspiel, Akrobatik, Tanz, Musik und grandioser Verwirrung bewegt. Witzig, überraschend und absurd klug. „Höherer Blödsinn in Reinkultur“, war kurz und bündig von einer Nachbarin zu hören. Das Comedy-Duo hatte schon im Vorfeld betont, dass die Inszenierung (Regie: Tom Ryser) ausschließlich mit menschlicher Intelligenz und Kreativität entstanden sei – ein sympathischer Seitenhieb auf den derzeitigen KI-Hype.

Zu den Highlights des kurzweiligen anderthalbstündigen Abends, der allerdings auch einige Längen hatte, gehört eine von Ursus effektvoll gebotene Hula-Hoop-Nummer erst ohne und dann mit Reifen sowie eine von beiden Komödianten gespielte Szenenfolge als eine Art Parodie auf das aus Zaubershows bekannte Messerwerfen. Schließlich erschien Ursus in einer metallisch-glänzenden Ritterrüstung. Nadeschkin gesellte sich mit einer ganzen Menagerie an kleinen bunten Kuscheltieren dazu, mit denen sie den starken Rittersmann attackierte. Mehrfach gab es auch von den Besuchern beklatschte Running Gags, so mit einem Witz von der rosa Forelle an der Wand. Dieser taucht mehrfach im Programm auf; immer wieder in neuen Varianten, aber nie vollständig. Das erzeugt eine komische Erwartungshaltung – und spielt mit der Idee des „unerzählten Witzes“ als Pointe.

Auch Regisseur Tom Ryser (Mitte) war anwesend

Hervorzuheben nicht zuletzt die Rolle von Musik und Tanz im Stück. Sie sind integraler Bestandteil des Erzählens, Denkens und Lachens. Anders als in klassischen Comedy-Formaten dienen sie nicht bloß zur Auflockerung, sondern sind dramaturgisch eingebettet und oft selbst Teil der Pointe. Rhythmische Einlagen und veblüffende Soundeffekte begleiten Szenen nicht nur atmosphärisch, sondern kommentieren sie ironisch oder verstärken die Absurdität. Beispiel: Ein Dialog wird plötzlich zum Kanon, in dem beide Stimmen sich überlagern und musikalisch widersprechen – ein akustischer Perspektivwechsel.

Ursus & Nadeschkin sind wahre Meister intelligenter Wortspiele. Der Programmtitel selbst ist ja schon ein Wortspiel. Die Vokale fehlen, die Perspektive ist verschoben – und genau darum geh’s ja. Hier drei Beispiele: „Wenn man sich selbst widerspricht, ist man dann noch glaubwürdig oder eiinfach nur doppelt?“ – „Ich denke, also bin ich – aber was, wenn ich falsch denke?“ – „Wenn man sich im Kreis dreht, hat man wenigstens einen Standpunkt.“ Sicher ein absurdes Bonmont, das Bewegung ud Haltung gleichzeitig aufs Korn nimmt.

Am Eingang zur Spielstätte
Nadja Sieger im Publikumsgespräch

Natürlich zündet auch in diesem weitgehend gelungenen Programm nicht jeder Gag. Bei aller Brillanz gibt es auch Momente, in denen die Absurdität ins Leere läuft. Dann bleibt das Lachen im Hals stecken, und man fragt sich: War das jetzt Kunst oder kann das weg?

Fazit: PRSPKTVNWCHSL ist ein wilder Ritt durch die Windungen des Denkens – für Fans von Ursus & Nadeschkin ein Muss, für Neulinge ein Abenteuer. Wer bereit ist, sich auf Sprachkunst, Perspektivwechsel und charmantes Chaos einzulassen, wird reich belohnt. Wer Struktur und Klarheit sucht, sollte sich vorher gut überlegen, ob er mitkommt auf diese Expedition ins Ungenaue und Ungewisse.

Zum Abschluss bedankte sich Ursus: „Liebes Publikum! Sie sind einfach fantastisch, dass Sie noch da sind. Wir gaben und geben alles“.

Redaktion und Fotos (6): Manfred Weghenkel

Weitere Vorführungen: 26., 27. und 28. September 2025 – Infos und Tickets: www.pfefferberg-theater.de